Peter Krötenheerdt ist seit vielen Jahren Unternehmensberater, Mentor und Coach. Er berät Unternehmer und Existenzgründer in Leipzig und den umliegenden Städten. Im Interview spricht er über die Euphorie und Leidenschaft vieler Gründer, kritische Fragen – und eine solide Kalkulation.

Ihr Eindruck als erfahrener Gründercoach: Warum machen sich Menschen selbstständig?

 

Krötenheerdt: Der Reiz, sich unabhängig zu machen, ist sehr groß. Viele geben einen gut bezahlten Job auf, weil sie endlich ihr eigener Chef sein möchten. Dieser unbändige Wille ist eine sehr gute Basis. Aber das alleine reicht nicht aus. Viele merken das schon wenige Monate nach der Gründung.

 

Die meisten Gründer bieten ihre Leistung oder ihre Produkte zu günstig an. Ihre Einnahmen reichen nicht aus. Oder es kommen zu wenig Kunden. Oder die Kosten sind höher als gedacht. Kurz: Ihr Geschäftskonzept ist nicht ausreichend durchdacht und kalkuliert. Das ist eine bittere Erfahrung. Es heißt aber nicht, dass man ein schlechter Gründer ist! Man muss nur besser planen und steuern.

 

Das hört sich jetzt aber sehr negativ an. Als Berater unterstützen Sie doch die Existenzgründer?

 

Krötenheerdt: Genau darum geht es. In der Beratung stelle ich zu Beginn oft erst einmal saublöde, skeptische Fragen. Je euphorischer der Gründer ist, desto sachlicher bin ich. Wenn man als Gründer zu begeistert ist, läuft man Gefahr, kritische Themen zu übersehen oder gar zu ignorieren. Nach dem Motto: Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.

 

Mir geht es darum, dass der Gründer am Ende wirklich erfolgreich ist. Dafür muss man auch zu Beginn kritische Fragen ertragen. In gemeinsamen Workshops arbeiten wir an Lösungen. Wenn der Gründer zum Beispiel kein schlüssiges Finanzierungskonzept hat, arbeiten wir daran.

 

Aber es gibt natürlich auch den umgekehrten Weg. Wenn die Gründerin oder der Gründer unsicher oder ängstlich sind, bin ich umso energischer. Etwa beim Bankgespräch: So ein Gespräch kann man professionell vorbereiten. Als Berater habe ich häufiger Kontakt zu den Banken vor Ort. Das hilft natürlich auch.

 

Welchen Fehler begehen Existenzgründer denn zum Beispiel bei der Finanzierung?

 

Krötenheerdt: Viele Gründer haben etwas Geld zurückgelegt. Zum Beispiel 10.000 Euro Rücklagen. Diese Summe wollen sie dann nutzen, um die ersten Monate über die Runden zu kommen – in der Hoffnung, dass das Geschäft ganz schnell anläuft. Doch es dauert länger, bis man sich einen festen Kundenstamm aufgebaut hat. In der Regel mindestens ein Jahr. Bis dahin reicht das Geld aber nicht.

 

Eine bessere Variante wäre, die Rücklagen als Sicherheit für einen zinsgünstigen Gründerkredit zu nehmen – zum Beispiel über 60.000 Euro. Dann haben Sie genug Geld, um ihre eigene Firma aufzubauen.  Wenn es läuft, zahlen Sie Stück für Stück den Gründerkredit wieder zurück.

 

Aber als Gründer brauche ich doch nicht viel Geld.

 

Krötenheerdt: Das stimmt leider nicht. Zum einen müssen Sie in Ihre Firma investieren. Ins Marketing, in Material, in ein Büro. Und Sie haben ja auch Ihre privaten Kosten wie Miete, Krankenversicherung und allgemeine Lebensausgaben. Selbst wenn man konservativ rechnet, braucht man mindestens 50.000 Euro für ein Jahr.

 

In einer Gründungsberatung ist die Finanzierung aber nur ein Thema. Es geht auch darum, die Leistungen detailliert zu beschreiben, Kundengruppen zu definieren und einen Marketingplan zu erstellen. Das alles ist Teil des Businessplans.

 

Viele Gründer melden sich bei Ihnen, weil sie einen Experten an der Seite haben wollen. Wann ist der richtige Zeitpunkt?

 

Krötenheerdt: In der Anfangsphase gehen einem erst einmal viele Gedanken durch den Kopf, nach dem Motto: Das wäre schon eine tolle Sache. Das kann man gut alleine machen. Es empfiehlt sich auch, erst einmal einige Bücher zum Thema zu lesen, mit anderen Selbstständigen zu sprechen und die Fragen zu sortieren.

 

Irgendwann sollte man eine klare Entscheidung fällen. Ab dann geht in die konkrete Planung los. Und genau ab diesem Moment kann ein Gründungsberater sehr gut helfen.

 

Von der ersten Geschäftsidee arbeiten wir uns dann vor bis zu konkreten Zahlen-Daten-Fakten-Tests. Wenn ich Leistung X für den Preis Y anbiete, wie viele Kunden brauche ich dann, um davon zu leben? Wir legen Meilensteine fest und Arbeitspakete. So eine Gründung zu planen ist harte Arbeit.

 

Man muss aber auch klar sagen: Ein solches Vorgehen ist sehr verbindlich. Einen Kredit schultert man nicht einfach so. Viele Menschen wollen sich eher experimentell selbstständig machen. Sie wollen es einfach mal versuchen. Dann benötige ich keinen Gründerberater. Denn dafür ist unsere Leistung dann doch zu teuer – auch wenn es staatliche Fördermittel für die Beratung gibt.

 

Ein weiterer Schwerpunkt Ihrer Arbeit liegt in der Unternehmensnachfolge. Viele Gründer übernehmen auch eine Firma. Andere sind bereits im Familienunternehmen tätig und werden bald Chef. Was sind hier die Probleme?

 

Krötenheerdt: Wenn ich eine Firma übernehme, muss ich mir die gleichen Fragen stellen. Ist die Firma profitabel? An welchen Stellschrauben muss und will ich drehen?

 

Ich lebe und arbeite in Ostdeutschland. Nach der Wende haben sich viele Menschen selbstständig gemacht. Oft aus der Not heraus, weil es keine Jobs gab. Damals waren die Gründer um die 40 Jahre alt. Heute sind viele von ihnen zwischen 60 und 65 Jahre alt. Die Kinder sind jetzt 40 Jahre alt. Es stellt sich die Frage, ob sie die Firma übernehmen.

 

Bei der Unternehmensnachfolge geht es aber längst nicht nur um nackte Zahlen. Der Senior erwartet Anerkennung für seine Arbeit und will oft nicht loslassen. Der Junior will oft viel verändern und endlich ans Steuerrad. Als Unternehmensberater begleite ich die Familie bei solch einer Firmenübergabe.

 

Aber auch andere Situationen kommen vor: Die nachrückende Generation hat kein Interesse die Firma zu übernehmen. Dann stellt sich die Frage, ob ein Mitarbeiter die Firma übernimmt oder die Firma an eine fremde Person verkauft wird.

 

Zum Abschluss: Was brauche ich, um ein erfolgreicher Selbstständiger zu sein?

 

Krötenheerdt: Ich muss mir klar sein: Warum will ich mich selbstständig machen? Was ist meine Motivation? Und dann entwickle ich ein konkretes Bild, das ich mir vorstelle.

 

Ich habe zum Beispiel kürzlich mit einem erfahrenen Unternehmer zusammengearbeitet, der eine neue Firma aufgebaut hat. Er hat das Ziel formuliert: In zwei Jahren will ich 1000 Kunden haben. Das ist richtig ambitioniert! Er hat daraus seine Energie gezogen.

 

Wenn man sein großes Bild vor Augen hat, heißt es anschließend: Ärmel hochkrempeln und jeden Tag hart arbeiten. Gründerjahre sind keine Lebejahre. Aber am Ende ist man erfolgreich – und auch ein anderer Mensch.

 

Übrigens: Viele Freunde und Verwandte werden versuchen, einem die Ideen auszureden. Das ist normal. Genauso wie Zweifel, Ängste, der Erfolg und das Geld.

 

Und wenn der Erfolg da ist, wollen auf einmal alle deine Freunde sein. Dann haben es schon immer alle gewusst, dass es die richtige Entscheidung war. Auch das gehört dazu.

 

Vielen Dank für das Gespräch!
Benjamin O´Daniel von Existenzgründer / Jungunternehmer